Antonio Loprieno spricht mit uns über die aktuellen globalen Herausforderungen der EU, die unterschiedlichen Kommunikationsanforderungen von Wissenschaft und Religion, sowie darüber, warum das Leiten einer Universität gar nicht so verschieden vom Schiedsrichten im Fußball ist.

 

Wer sind Sie und was ist Ihr Beruf?

Antonio Loprieno, Präsident der Vereinigung der europäischen Akademien ALLEA und Vorsitzender von SAPEA, einem Teil des wissenschaftlichen Beratungsmechanismus der Europäischen Kommission.
Ursprünglich bin ich Ägyptologe, aber im Laufe meiner Karriere habe ich Mumien durch sehr lebendige Wesen ersetzt, wie Akademikerinnen und Akademiker sowie politische Entscheidungstragende.

Können Sie Ihren Arbeitsplatz in zwei Worten beschreiben?

Zeitreisen.

Welche Tools nutzen Sie, um Ihre Ideen zu ordnen?

Ach, als Kind des analogen Zeitalters benutze ich immer noch einen Stift und einen Papierblock.

Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen, vor denen die EU derzeit steht?

Die größte Herausforderung besteht wahrscheinlich darin, den Vorrang liberal-demokratischer Werte angesichts der globalen Herausforderungen aus dem Osten (z. B. konfessionelle oder autoritäre Werte) und aus dem Westen (z. B. moralisierende oder populistische Ideologien) aufrecht zu erhalten.

Wie kann die Wissenschaft dazu beitragen, die Rolle der beweisbasierten Entscheidungsfindung zu stärken?

Indem sie zunächst der breiten Öffentlichkeit und dann den politisch Entscheidungstragenden als ihrer gewählten Vertretung erklärt, wie wissenschaftliche Beweise zustande kommen: nicht indem man Meinungen folgt, sondern indem man nach empirischen Wahrscheinlichkeiten sucht. Im Gegensatz zur Religion interessiert sich die Wissenschaft nicht dafür, was wahr ist, sondern dafür, was am wahrscheinlichsten ist.

Gibt es eine Erkenntnis aus der Pandemie, die Sie mit uns teilen möchten?

Ich denke, die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig die Wissenschaft für die Gewährleistung einer besseren Zukunft ist, aber auch, wie bedauerlich unwichtig sie werden kann, wenn eine Gesellschaft (oder einige ihrer Mitglieder) sich unter Druck gesetzt fühlt.

Welche(n) Newsletter haben Sie abonniert? Was lesen Sie gerade?

Ich kann die Anzahl der Newsletter nicht zählen, die ich unwissentlich abonniert habe, aber ich kann Ihnen sagen, was ich gerade lese: Mind Shift von John Parrington.

Mit wem würden Sie gerne einmal zusammenarbeiten?

Mit einer Simultanübersetzerin oder einem Simultanübersetzer. Das muss der neurologisch anspruchsvollste Job der Welt sein.

Erzählen Sie uns einen lustigen oder unbekannten Fakt über Sie!

Als ich jung war, war ich Fußballschiedsrichter. Das ist wie die Leitung einer Universität: Je weniger die Fans einen sehen, desto besser läuft das Spiel – für beide Seiten.

In der Zukunft würden Sie gerne…

…in Maltese Studies promovieren.

Was ist Ihr Lieblingsplatz in Berlin?

Der Französische Dom.

PS: Was ist das Leckerste, was Sie diese Woche gegessen haben?

Stuffat tal-fenek (aber das werde ich nicht für Sie übersetzen).

 

SAPEA – Science Advice for Policy by European Academies – bündelt das Fachwissen von über hundert Akademien und Fachgesellschaften in mehr als 40 Ländern in ganz Europa. Zusammen mit der Group of Chief Scientific Advisors (Gruppe der wissenschaftlichen Chefberaterinnen und -berater) bieten sie den EU-Kommissionsmitgliedern unabhängige, wissenschaftliche Beratung zur Unterstützung ihrer Entscheidungsfindung. Sie arbeiten auch daran, das Bewusstsein für wissenschaftliche Beratung und wissenschaftliche Evidenz in der politischen Entscheidungsfindung zu schärfen und die Debatte in Europa über diese Themen anzuregen.

Wenn Sie mehr über die Arbeit von SAPEA erfahren möchten, werfen Sie einen Blick auf die Aufzeichnung ihrer Veranstaltung Time Travel and Climate: Changing the Past to Fix the Future, die am 6. November 2021 auf der Berlin Science Week stattfand.