Quantentechnologien
Quantentechnologien gelten als Schlüssel zur nächsten digitalen Transformation. Sie versprechen enorme Fortschritte: von leistungsstarken Quantencomputern bis hin zu abhörsicherer Kommunikation. Doch diese Möglichkeiten werfen auch neue Fragen auf, die weit über die Technologie hinausgehen: Wer wird Zugang zu diesen Technologien haben? Wie können Privatsphäre und Fairness gewährleistet werden? Und welche Rolle spielt Europa im globalen Quantenrennen?
Dr. Anna Pappa leitet an der Technischen Universität Berlin (TUB) eine Nachwuchsgruppe zu Quantenkommunikation und -kryptographie, Themen, die Teil der Grand Challenge „Quantentechnologien“ der Berlin University Alliance sind. Sie entwickelt neue Ansätze für die sichere Datenübertragung und arbeitet daran, diese in praktische Anwendungen zu überführen. Mit uns blickt sie Beyond Now: Was ist bereits Realität, wo stehen wir noch am Anfang und wie lässt sich die „Quanten-Zukunft“ so gestalten, dass sie uns allen zugutekommt?
Dr. Anna Pappa leitet an der Technischen Universität Berlin (TUB) eine Nachwuchsgruppe zu Quantenkommunikation und -kryptographie, Themen, die Teil der Grand Challenge „Quantentechnologien“ der Berlin University Alliance sind. Sie entwickelt neue Ansätze für die sichere Datenübertragung und arbeitet daran, diese in praktische Anwendungen zu überführen. Mit uns blickt sie Beyond Now: Was ist bereits Realität, wo stehen wir noch am Anfang und wie lässt sich die „Quanten-Zukunft“ so gestalten, dass sie uns allen zugutekommt?
EIN GESPRÄCH ANNA PAPPA
Das Motto der Berlin Science Week 2025 ist Beyond Now, also über das jetzt hinausdenken. Quantenkommunikation wird in unserer Zukunft eine wichtige Rolle spielen, auch wenn sie für viele von uns heute noch abstrakt ist. Warum werden wir alle mit ihr zu tun haben? Und wo merken wir bereits die ersten Veränderungen im Alltag?
Anna Pappa: Es wird erwartet, dass Quantenkommunikation in Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird, da sie eine zentrale Herausforderung unseres digitalen Zeitalters adressiert: den sicheren Informationsaustausch. Heute hängt fast jeder Aspekt unseres Lebens – vom Bankwesen über das Gesundheitswesen bis hin zu staatlichen Dienstleistungen – von digitalen Daten ab. Bisher beruhte die Sicherheit der Kommunikation auf bestimmten mathematischen Problemen, die als schwer lösbar gelten. Künftige Quantencomputer könnten diese jedoch knacken und damit heutige Systeme angreifbar machen. Die Quantenkommunikation – insbesondere die Quanten-Schlüsselverteilung – bietet hingegen Sicherheit, die auf den Gesetzen der Physik beruht, nicht auf rechnerischen Grenzen.
Die ersten Veränderungen sind bereits sichtbar. Pilotprojekte testen Quantenkommunikationsverbindungen zwischen Städten, und Satelliten werden für quantensichere Datenübertragungen gestartet. Auch wenn die Öffentlichkeit dies bislang kaum direkt bemerkt, beginnen kritische Infrastrukturen wie Finanzsysteme und das Gesundheitswesen, diese Technologien zu übernehmen. Mit der Zeit wird quantensichere Kommunikation ebenso selbstverständlich und unsichtbar werden wie die heutige Internetverschlüsselung.
Die Berlin University Alliance spricht von großen gesellschaftlichen Herausforderungen und Transformationsprozessen, den Grand Challenges. Warum gelten Quantentechnologien als Grand Challenge? Was macht diese großen Transformationsthemen, auf die sich die BUA konzentriert, komplexer als andere Forschungsfragen?
Anna Pappa: Quantentechnologien gelten als Grand Challenge, weil sie gleichzeitig die Grenzen von Theorie und Praxis verschieben. Anders als schrittweise Innovationen erfordern sie Durchbrüche in mehreren Disziplinen – Physik, Informatik, Materialwissenschaften und Ingenieurwesen – die eng zusammenarbeiten müssen.
Die Entwicklung eines nutzbaren Quantencomputers oder eines skalierbaren Quantenkommunikationsnetzwerks bedeutet nicht nur, bestehende Werkzeuge zu verbessern, sondern völlig neue Wege der Informationsverarbeitung auf Basis der Quantenmechanik zu entwickeln.
Diese Transformationsthemen sind besonders komplex, weil sie grundlegende Grenzen überwinden müssen. Neben der radikalen Neugestaltung unseres Verständnisses von Informationsverarbeitung gilt es auch, die Herausforderungen zu meistern, die sich aus der Integration quantenmechanischer Prozesse in reale Anwendungen ergeben. Gleichzeitig ist ihr Potenzial zutiefst transformativ. Genau deshalb konzentrieren sich Initiativen wie die BUA darauf: Sie verbinden höchste wissenschaftliche Komplexität mit der größten gesellschaftlichen Chance.
Sie erforschen, wie Anonymität in der Quantenkommunikation erreichen ist. Warum ist das so wichtig, und mit welchen Problemen sind Sie und Ihr Team derzeit konfrontiert?
Anna Pappa: Die Gewährleistung von Anonymität in der Online-Kommunikation hat sich als grundlegendes Prinzip etabliert. Sie spiegelt das Bedürfnis wider, nicht nur den Inhalt von Nachrichten, sondern auch die Identität der kommunizierenden Parteien zu schützen. In demokratischen Prozessen, beim Whistleblowing oder in sensiblen Verhandlungen ist es beispielsweise entscheidend, sicherzustellen, dass niemand nachvollziehen kann, wer mit wem kommuniziert. Während die Quantenkommunikation bereits einen starken Schutz vor Abhören bietet, fügt die Wahrung von Anonymität eine weitere Ebene von Vertrauen und Nutzbarkeit hinzu.
Allerdings ist es eine große Herausforderung, Quantenprotokolle zu entwickeln, die anonym bleiben und zugleich effizient, sicher und skalierbar sind. Mein Team und ich arbeiten an praxisnahen Ansätzen, die diese Zielkonflikte ausbalancieren und Netzwerke ermöglichen sollen, die sowohl quantenbasierte Sicherheit als auch echte Anonymität bieten. Da viele dieser Protokolle auf mehrteiliger Verschränkung beruhen, kooperieren wir eng mit mehreren experimentellen Forschungsgruppen.
Skalierbare Methoden zu entwickeln, um hochwertige Verschränkung zu erzeugen und aufrechtzuerhalten – trotz unvermeidbarer Unvollkommenheiten –, bleibt eine zentrale Herausforderung. Die Überwindung dieser Hürden ist entscheidend, um Quantennetzwerke zu realisieren, die nicht nur beispiellose Sicherheit, sondern auch Anonymität als intrinsisches Merkmal bieten.
Allerdings ist es eine große Herausforderung, Quantenprotokolle zu entwickeln, die anonym bleiben und zugleich effizient, sicher und skalierbar sind. Mein Team und ich arbeiten an praxisnahen Ansätzen, die diese Zielkonflikte ausbalancieren und Netzwerke ermöglichen sollen, die sowohl quantenbasierte Sicherheit als auch echte Anonymität bieten. Da viele dieser Protokolle auf mehrteiliger Verschränkung beruhen, kooperieren wir eng mit mehreren experimentellen Forschungsgruppen.
Skalierbare Methoden zu entwickeln, um hochwertige Verschränkung zu erzeugen und aufrechtzuerhalten – trotz unvermeidbarer Unvollkommenheiten –, bleibt eine zentrale Herausforderung. Die Überwindung dieser Hürden ist entscheidend, um Quantennetzwerke zu realisieren, die nicht nur beispiellose Sicherheit, sondern auch Anonymität als intrinsisches Merkmal bieten.
Jede Technologie kann missbraucht werden. Welche Gefahren sehen Sie konkret bei Quantenkryptographie, zum Beispiel durch autoritäre Regime oder große Konzerne?
Anna Pappa: Jede Technologie kann missbraucht werden, das gilt auch für die Quantenkryptographie. Obwohl sie beispiellose Sicherheit verspricht, könnte sie von autoritären Regimen oder kriminellen Organisationen genutzt werden, um ihre Kommunikation vor rechtmäßiger Überwachung zu schützen und so möglicherweise unterdrückende oder illegale Handlungen zu ermöglichen. Große Unternehmen könnten sich durch den exklusiven Zugang zu quantensicherer Kommunikation einen asymmetrischen Vorteil verschaffen und damit bestehende Machtungleichgewichte weiter verstärken. Zudem besteht die Gefahr einer Überabhängigkeit: Quantenkryptographie schützt zwar den Kommunikationskanal selbst, jedoch nicht die kommunizierenden Endnutzer*innen.
Die verantwortungsvolle Gestaltung von Innovationen ist ein Thema, das die Berliner Forschung beschäftigt. Welche Rolle spielt es in Bezug auf Quantentechnologien?
Anna Pappa: Quantentechnologien haben das Potenzial, Kommunikation und Informationsverarbeitung grundlegend zu verändern. Doch sie bergen auch Risiken, etwa die Verstärkung von Machtungleichgewichten, die Ermöglichung von Überwachung oder den Missbrauch durch böswillige Akteur*innen. Daher ist verantwortungsbewusste Innovationsgestaltung zentral für die Entwicklung dieser Technologien, und Berliner Forschende berücksichtigen aktiv die gesellschaftlichen und ethischen Auswirkungen ihrer Arbeit.
Wenn Prinzipien verantwortungsvoller Innovation in Forschung und Entwicklung integriert werden, können mögliche Schäden frühzeitig erkannt, Transparenz gewährleistet und gerechter Zugang gefördert werden: etwa durch Open-Access-Publikationen, frei zugängliche Kurse und Schulungen sowie offene Softwarebibliotheken. Ebenso tragen klare Regulierungen und internationale Standards dazu bei, dass Quantentechnologien interoperabel und ethisch eingesetzt werden. Zugleich ist es wichtig, vielfältige Akteur*innen in Entscheidungsprozesse einzubeziehen und Nachhaltigkeit in der Gestaltung von Hardware und Infrastruktur zu priorisieren.
Berlin gilt als Hotspot für Quantenforschung. Was bedeutet das für junge Forschende oder Start-ups hier vor Ort? Und wie hilft die Berlin Quantum Alliance, Europas Rolle im Wettbewerb, um die „Quantenzukunft“ zu stärken?
Anna Pappa: Berlin ist tatsächlich ein Zentrum der Quantenforschung und bietet Nachwuchsforschenden sowie Start-ups einzigartige Möglichkeiten: Zugang zu hochmodernen Laboren, Zusammenarbeit mit führenden Wissenschaftler*innen und Einbindung in ein dynamisches Innovationsökosystem. Die besondere Konzentration von Forschungseinrichtungen (z. B. Fraunhofer, Helmholtz), Unternehmen (z. B. Deutsche Telekom, Q-CTRL) und den Hochschulen der BUA fördert Wissensaustausch, Mentoring und schnelle Experimentierzyklen – Faktoren, die sowohl wissenschaftliche Karrieren als auch unternehmerische Entwicklungen beschleunigen können.
Die Berlin Quantum Alliance spielt in diesem Ökosystem eine zentrale Rolle, indem sie Aktivitäten zwischen Universitäten, Forschungsinstituten und Industrie koordiniert, gemeinsame Infrastrukturen stärkt und Kooperationen ermöglicht. Durch die Bündelung von Kompetenzen und Ressourcen trägt die BQA dazu bei, dass Europa im globalen Quantenrennen wettbewerbsfähig bleibt und eine führende Position in diesem transformativen Feld einnimmt.
Anna Pappa: Berlin ist tatsächlich ein Zentrum der Quantenforschung und bietet Nachwuchsforschenden sowie Start-ups einzigartige Möglichkeiten: Zugang zu hochmodernen Laboren, Zusammenarbeit mit führenden Wissenschaftler*innen und Einbindung in ein dynamisches Innovationsökosystem. Die besondere Konzentration von Forschungseinrichtungen (z. B. Fraunhofer, Helmholtz), Unternehmen (z. B. Deutsche Telekom, Q-CTRL) und den Hochschulen der BUA fördert Wissensaustausch, Mentoring und schnelle Experimentierzyklen – Faktoren, die sowohl wissenschaftliche Karrieren als auch unternehmerische Entwicklungen beschleunigen können.
Die Berlin Quantum Alliance spielt in diesem Ökosystem eine zentrale Rolle, indem sie Aktivitäten zwischen Universitäten, Forschungsinstituten und Industrie koordiniert, gemeinsame Infrastrukturen stärkt und Kooperationen ermöglicht. Durch die Bündelung von Kompetenzen und Ressourcen trägt die BQA dazu bei, dass Europa im globalen Quantenrennen wettbewerbsfähig bleibt und eine führende Position in diesem transformativen Feld einnimmt.
Wenn wir ins Jahr 2035 springen: Welche Anwendungen der Quantentechnologien werden wir dann ganz selbstverständlich nutzen – und was macht Sie hoffnungsvoll, dass diese Entwicklungen fair gestaltet sein werden?
Anna Pappa: Natürlich ist es schwierig, genau vorherzusagen, wie das Jahr 2035 aussehen wird. Aber wir können davon ausgehen, dass Quantentechnologien ein fester Bestandteil von Computing, sicherer Kommunikation und fortgeschrittener Simulation in den Bereichen Materialforschung, Chemie und Pharmazie sein werden. Auch in Logistik, Finanzwesen und Energiesystemen könnten wir quantenunterstützte Optimierungen erleben.
Was mich hoffnungsvoll stimmt, ist, dass die wissenschaftliche Gemeinschaft zunehmend Prinzipien verantwortungsvoller Innovation aufgreift, also Ethik, Transparenz, Beteiligung von Interessengruppen und gerechten Zugang von Anfang an in Forschung und Entwicklung integriert. Wenn wir diese Werte gleichberechtigt neben technische Exzellenz stellen, haben wir die Chance, dass diese transformativen Technologien der Gesellschaft insgesamt und auf transparente Weise zugutekommen.
BERLIN SCIENCE WEEK 2025 x BERLIN UNIVERSITY ALLIANCE
Gemeinsam die Grand Challenges angehen
Dieses Interview ist eines von fünf in Zusammenarbeit mit der Berlin University Alliance (BUA). Gemeinsam zeigen wir, wie Berlins Forschungsökosystem transdisziplinäre Ansätze vorantreibt und die Zukunft mitgestaltet. Auf der Berlin Science Week 2025 kannst du Forschende der Berlin University Alliance treffen, an Diskussionen teilnehmen und hautnah erfahren, wie Berlin die großen Fragen unserer Zeit angeht.
BERLIN SCIENCE WEEK 2025 x BERLIN UNIVERSITY ALLIANCE
Gemeinsam die Grand Challenges angehen
Dieses Interview ist eines von fünf in Zusammenarbeit mit der Berlin University Alliance (BUA). Gemeinsam zeigen wir, wie Berlins Forschungsökosystem transdisziplinäre Ansätze vorantreibt und die Zukunft mitgestaltet. Auf der Berlin Science Week 2025 kannst du Forschende der Berlin University Alliance treffen, an Diskussionen teilnehmen und hautnah erfahren, wie Berlin die großen Fragen unserer Zeit angeht.