10 Jahre Berlin Science Week
Im Jahr 2025 feiert die Berlin Science Week ihr zehnjähriges Jubiläum – ein Jahrzehnt, in dem Wissenschaft, Gesellschaft und Kultur in einer der dynamischsten Städte Europas miteinander verbunden wurden. Was als dezentralisierte Plattform für öffentliche Wissenschaft begann, hat sich zu einem kuratierten internationalen Festival entwickelt, das die Rolle von Wissenschaft in Zeiten des Wandels erkundet. Unter dem diesjährigen Motto „Beyond Now“ reflektiert das Festival über eine Welt, die von Wendepunkten geprägt ist, und darüber, was danach kommt.
Anlässlich dieses Jubiläums haben wir dem Leiter der Berlin Science Week, Dr. Christian Rauch, zehn Fragen gestellt, die die Vergangenheit, Gegenwart und mögliche Zukunft des Festivals nachzeichnen – von dringenden Herausforderungen und sich wandelnden Zielgruppen bis hin zur Kraft von Kunst, Interdisziplinarität und Vorstellungskraft.
EIN GESPRÄCH MIT CHRISTIAN RAUCH
Die Berlin Science Week wird zehn Jahre alt. Was waren die grundlegenden Ideen hinter dem Festival zu Beginn, und wie haben sie sich im Laufe der Jahre verändert?
Christian Rauch: Mit der Gründung der Berlin Science Week im Jahr 2016 war das Ziel, eine Plattform zu schaffen, um den Wissenschaftsstandort Berlin international sichtbarer zu machen. Von Anfang an war der Berliner Senat ein wichtiger Unterstützer und unterstrich so die Bedeutung Berlins als internationaler Hotspot für Wissenschaft.
Ausgehend von der Falling Walls Konferenz, die seit 2009 jährlich am 9. November – dem Jahrestag des Mauerfalls – stattfindet, startete die Berlin Science Week mit rund 30 Veranstaltungen von Berliner Forschungseinrichtungen unter einem gemeinsamen Dach. Über die Hälfte dieser Veranstaltungen war schon damals frei zugänglich. Mit zum Beispiel dem STATE Festival, das bereits zwei Jahre zuvor an diesem Datum ins Leben gerufen wurde, beinhaltete die Berlin Science Week schon in ihrem Gründungsjahr eine lebendige Wissenschaftsfestival-Komponente für die Berliner Öffentlichkeit.
Ausgehend von der Falling Walls Konferenz, die seit 2009 jährlich am 9. November – dem Jahrestag des Mauerfalls – stattfindet, startete die Berlin Science Week mit rund 30 Veranstaltungen von Berliner Forschungseinrichtungen unter einem gemeinsamen Dach. Über die Hälfte dieser Veranstaltungen war schon damals frei zugänglich. Mit zum Beispiel dem STATE Festival, das bereits zwei Jahre zuvor an diesem Datum ins Leben gerufen wurde, beinhaltete die Berlin Science Week schon in ihrem Gründungsjahr eine lebendige Wissenschaftsfestival-Komponente für die Berliner Öffentlichkeit.
Heute, zehn Jahre später, hat sich die Berlin Science Week zu einer der wichtigsten internationalen Wissenschaftsveranstaltungen entwickelt – mit über 300 Veranstaltungen, mehr als 120 Partnereinrichtungen und 35.000 Besuchenden allein im letzten Jahr. Meilensteine auf diesem Weg waren 2019 die Eröffnung des ersten Festivalzentrums CAMPUS im Museum für Naturkunde und 2023 die Erweiterung um das FORUM Festivalzentrum im Holzmarkt25. Hinzu kommt das stetig wachsende Netzwerk großartiger Partnereinrichtungen. All dies hat die Berlin Science Week zu dem gemacht, was sie heute ist: ein lebendiges Festival, bei dem Wissenschaft und Gesellschaft zusammenkommen und Forschende, Institutionen sowie eine neugierige Öffentlichkeit miteinander ins Gespräch treten, um die Rolle der Wissenschaft in einer sich stetig wandelnden Welt zu erkunden.
Das Motto 2025 lautet „Beyond Now“. Was bedeutet dieser Ausdruck für dich persönlich, und wie prägt er das diesjährige Festival?
Christian Rauch: Für mich beschreibt „Beyond Now“ den Moment, in dem wir uns gerade befinden: eine Zeit nach einem Einschnitt, in der vieles nicht mehr so ist, wie wir es kannten. In den letzten Jahren haben wir viel darüber gesprochen, wie sich die Welt verändern könnte oder müsste. Heute müssen wir feststellen: Die Welt, wie wir sie kannten, scheint plötzlich verschwunden zu sein. An ihre Stelle ist etwas getreten, das wir noch nicht vollständig begreifen können. Alte Gewissheiten sind zerbrochen, neue Orientierung ist schwer zu finden, und viele von uns erleben eine Mischung aus Schock, Unsicherheit und der Suche nach Halt.
Mit dem Festival möchten wir einen Raum schaffen, in dem wir diesen Moment bewusst anerkennen – ohne ihn zu beschönigen. Gerade weil die Nachrichtenflut oft überwältigend ist, brauchen wir Orte, an denen wir gemeinsam innehalten, Fragen stellen und nach vorne denken können. „Beyond Now“ ist deshalb auch eine Einladung, nicht im Krisendenken steckenzubleiben, sondern Möglichkeiten zu erkunden: Wie wollen wir auf diese neue Realität reagieren? Welche Ideen, welche Erkenntnisse und welche Formen der Zusammenarbeit können uns helfen, das Kommende aktiv zu gestalten?
Das Motto deutet darauf hin, dass wir uns in einer Zeit nach einem Wendepunkt befinden – einem Raum, der von Unsicherheit und Instabilität, aber zugleich von Möglichkeiten geprägt ist. Welche Rolle können Wissenschaft und Forschung deiner Meinung nach dabei spielen, diesen Raum der Transformation zu gestalten?
Christian Rauch: Wissenschaft kann die Herausforderungen unserer Zeit nicht mit fertigen Lösungen beantworten. Aber sie bietet Orientierung, indem sie fundierte Grundlagen schafft, auf deren Basis wir verstehen können, wo wir stehen. Und sie öffnet Handlungsräume, indem sie Optionen aufzeigt, die wir als Gesellschaft abwägen und gemeinsam gestalten können.
Darüber hinaus verkörpert Wissenschaft eine Haltung, die in aufgeheizten Zeiten wie diesen besonders wertvoll ist. Sie lebt vom Fragenstellen, vom Überprüfen, vom Verwerfen vermeintlich sicherer Wahrheiten. Wissenschaftliche Erkenntnisse gelten nie absolut, sondern solange, bis neue Einsichten sie erweitern oder widerlegen. Dieses Prinzip könnte uns auch gesellschaftlich helfen: weniger Absolutheit, mehr Bereitschaft, Perspektiven zu prüfen und neu zu denken.
In Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft wächst das Gefühl der Dringlichkeit.
Was ist deiner Ansicht nach die dringendste Herausforderung, der sich die Wissenschaft heute stellen muss? Und was wird dabei übersehen?
Christian Rauch: Eine der größten Herausforderungen sind die Angriffe auf die Freiheit und Integrität der Wissenschaft. Wir sehen, wie Forschung in manchen Ländern gezielt unter Druck gerät – durch politische Einflussnahme, durch Kürzungen oder durch den Versuch, unbequeme Erkenntnisse zu diskreditieren. Auch in Deutschland spüren wir die finanziellen Engpässe, die den Spielraum für wissenschaftlichen Fortschritt einschränken.
Gleichzeitig erwarten wir von der Wissenschaft Antworten auf die großen Fragen unserer Zeit: Klima, Gesundheit, Digitalisierung und gesellschaftlicher Zusammenhalt. Dieser Verantwortung kann sie jedoch nur gerecht werden, wenn sie im engen Austausch mit der Öffentlichkeit bleibt. Denn wissenschaftliches Wissen entfaltet seine Wirkung erst, wenn es verstanden, diskutiert und genutzt wird.
Oft übersehen wird dabei die fragile Basis des Vertrauens. Fake News und sogenannte „gefühlte Wahrheiten“ verbreiten sich schnell, während wissenschaftliche Erkenntnisse meist komplex sind und Zeit brauchen, um verstanden zu werden. Deshalb müssen wir alles daransetzen, dieses Vertrauen in die Wissenschaft zu bewahren. Denn ohne Vertrauen kann Forschung nicht wirksam zu Lösungen beitragen.
Da Demokratien unter Druck geraten und sich Desinformation weltweit verbreitet, sind auch die Integrität und Freiheit der Wissenschaft gefährdet. In diesem Zusammenhang: Welche Verantwortung trägt ein Festival wie die Berlin Science Week?
Christian Rauch: Unsere Verantwortung sehe ich darin, Wissenschaft zugänglich zu machen. Für alle, nicht nur für Fachleute. Wer Wissenschaft erlebt, ihre Fragen, ihre Methoden und ihre Begeisterung, entwickelt ein anderes Verhältnis zu ihr.
Die Berlin Science Week will deshalb Räume schaffen, in denen Dialog auf Augenhöhe möglich ist. Es geht uns nicht nur darum, Wissen zu vermitteln, sondern auch zuzuhören: Welche Fragen bewegen die Öffentlichkeit? Welche Perspektiven bringen Kunst, Kultur, Wirtschaft oder Politik ein? Dieser Austausch wirkt zurück in die Wissenschaft und macht sie lebendiger.
Natürlich können wir nicht alle Probleme lösen. Aber wir können Transparenz schaffen, Berührungsängste abbauen und damit Vertrauen in die Wissenschaft stärken. In einer Zeit, in der Fake News und Desinformation immer lauter werden, ist das ein entscheidender Beitrag.
Christian Rauch: Unsere Verantwortung sehe ich darin, Wissenschaft zugänglich zu machen. Für alle, nicht nur für Fachleute. Wer Wissenschaft erlebt, ihre Fragen, ihre Methoden und ihre Begeisterung, entwickelt ein anderes Verhältnis zu ihr.
Die Berlin Science Week will deshalb Räume schaffen, in denen Dialog auf Augenhöhe möglich ist. Es geht uns nicht nur darum, Wissen zu vermitteln, sondern auch zuzuhören: Welche Fragen bewegen die Öffentlichkeit? Welche Perspektiven bringen Kunst, Kultur, Wirtschaft oder Politik ein? Dieser Austausch wirkt zurück in die Wissenschaft und macht sie lebendiger.
Natürlich können wir nicht alle Probleme lösen. Aber wir können Transparenz schaffen, Berührungsängste abbauen und damit Vertrauen in die Wissenschaft stärken. In einer Zeit, in der Fake News und Desinformation immer lauter werden, ist das ein entscheidender Beitrag.
Viele Menschen besuchen die Berlin Science Week aus reiner Neugier, nicht als Wissenschaftler oder Expert:innen. Welche Art von Raum möchtest du für diejenigen schaffen, die sich selbst nicht als Teil der „Wissenschaft“ sehen, aber dennoch damit in Kontakt treten möchten?
Christian Rauch: Um in der Forschung selbst mitzuarbeiten, braucht es oft jahrelanges Training. Aber um sich mit Wissenschaft zu beschäftigen, braucht es vor allem eines: Neugierde. Wir alle stellen Fragen über das Leben, die Welt und unseren Platz darin. Wissenschaft eröffnet faszinierende Einblicke – von den Ursprüngen des Universums bis zu den kleinsten Zellen, von ökonomischen Systemen bis zu gesellschaftlichen Dynamiken.
Die Berlin Science Week ist ein Raum, in dem alle mit Wissenschaft in Kontakt treten können. Es geht nicht darum, Expertin oder Experte zu sein, sondern darum, gemeinsam Fragen zu stellen und neue Perspektiven zu entdecken.
Mein Wunsch ist, dass die Besucherinnen und Besucher das Festival inspiriert verlassen. Mit der Lust, Dinge zu hinterfragen, das Vertraute neu zu sehen und weiterzudenken. Wissenschaft darf nicht im Elfenbeinturm stattfinden. Sie gehört uns allen.
„Beyond Now“ ist auch eine Einladung, über Grenzen hinweg zu denken. Wie fördert das Festival den sinnvollen Austausch zwischen Menschen, die sich normalerweise nicht begegnen?
Christian Rauch: Unser Ziel ist es, Räume zu schaffen, die zugänglich und anknüpfbar sind. Nicht nur für Expertinnen und Experten, sondern für eine breite Öffentlichkeit. In unseren Veranstaltungen zeigen wir verschiedene Perspektiven auf Themen und bringen dabei nicht nur unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen zusammen, sondern auch Stimmen aus Kunst, Kultur, Politik und Wirtschaft. Nur gemeinsam können wir die komplexen Fragen unserer Zeit wirklich begreifen.
Es geht dabei weniger um die reine Vermittlung von fertigem Wissen, sondern um das gemeinsame Fragen und Hinterfragen. Deshalb legen wir großen Wert auf dialogorientierte Formate, Diskussionen und partizipative Elemente. Klassische Vorträge haben ihren Platz, doch entscheidend ist, dass Menschen auf Augenhöhe zusammenkommen, um zu diskutieren und sich auszutauschen.
Seit letztem Jahr testen wir außerdem eine digitale Plattform. Sie ermöglicht allen Besucherinnen und Besuchern, eigene Perspektiven einzubringen und miteinander ins Gespräch zu kommen. So entstehen neue Impulse, die über das Festival hinaus weiterwirken.
Es geht dabei weniger um die reine Vermittlung von fertigem Wissen, sondern um das gemeinsame Fragen und Hinterfragen. Deshalb legen wir großen Wert auf dialogorientierte Formate, Diskussionen und partizipative Elemente. Klassische Vorträge haben ihren Platz, doch entscheidend ist, dass Menschen auf Augenhöhe zusammenkommen, um zu diskutieren und sich auszutauschen.
Seit letztem Jahr testen wir außerdem eine digitale Plattform. Sie ermöglicht allen Besucherinnen und Besuchern, eigene Perspektiven einzubringen und miteinander ins Gespräch zu kommen. So entstehen neue Impulse, die über das Festival hinaus weiterwirken.
Berlin ist eine Stadt der Experimente, Widersprüche und Neuerfindungen. Wie hat die Stadt die Identität der Berlin Science Week geprägt?
Christian Rauch: Die Berlin Science Week ist ein Spiegel dieser Stadt – mit all ihrer Energie, Offenheit und Unruhe. Ein Festival ist der ideale Ort, um Neues auszuprobieren. Es lebt vom Moment, von der Spontaneität der Begegnungen und von der Bereitschaft, sich auf Unbekanntes einzulassen.
Das prägt auch unsere Arbeit mit den Partnern. Wir laden sie ein, ungewöhnliche und kreative Formate der Wissenschaftskommunikation zu entwickeln und Wissenschaft an Orte zu bringen, die man nicht sofort mit ihr verbindet: Clubs, Theater, Bars oder Galerien. Diese Mischung passt zu Berlin und macht die Berlin Science Week zu einem Experimentierfeld, in dem Wissenschaft lebendig wirkt und Teil des Alltags wird, statt distanziert und fern.
Der Austausch zwischen Wissenschaft und Kunst ist bei der Berlin Science Week elementarer Bestandteil des Programms. Warum ist das gerade jetzt so wichtig – in einer Zeit, die von Unsicherheit, Emotionen und Komplexität geprägt ist?
Christian Rauch: An den Schnittstellen von Disziplinen ergeben sich besondere und oft überraschende Einsichten. Wenn Wissenschaft und Kunst zusammenkommen, entsteht eine kreative Spannung, die Neues möglich macht. Sie eröffnet Wege für Experimentieren, Entdecken und Vermitteln, die rein akademische Ansätze nicht erreichen können.
Immer mehr Forschungseinrichtungen arbeiten bewusst mit künstlerischen Formaten. In den vergangenen Jahren hat sich in Berlin eine sehr dynamische Szene entwickelt, die die Stadt zu einem internationalen Zentrum für Art-Science gemacht hat. Mit der Berlin Science Week wollen wir diesem Feld eine starke Plattform geben und es noch sichtbarer machen.
Ein Blick nach vorn: Wofür möchtest du, dass die Berlin Science Week in weiteren zehn Jahren steht?
Christian Rauch: Ich wünsche mir, dass die Berlin Science Week in den nächsten zehn Jahren weiter wächst als fruchtbarer Boden für mutige Experimente, wie Wissenschaft und Gesellschaft miteinander in Austausch treten können. Eine globale Plattform, die die Bedeutung von Wissenschaft in der Gesellschaft feiert. Ein Ort, der Menschen über Grenzen und Disziplinen hinweg zusammenbringt: vielfältig, interdisziplinär, lebendig und offen.
Beteiligungsmöglichkeiten der Öffentlichkeit sollte dabei im Zentrum stehen. Ich möchte, dass wir mit der Berlin Science Week neue Angebote schaffen, damit Menschen aktiv mitgestalten und Teil der großen Gespräche darüber werden können, wie Wissenschaft unsere Zukunft prägt.
Unser Ziel ist es, noch mehr Partner innerhalb und außerhalb Berlins für diese Mission zu gewinnen. Dazu gehört auch, die Zusammenarbeit mit europäischen Partnern zu stärken, um gemeinsame Herausforderungen grenzüberschreitend anzugehen.